Mitterteicher Persönlichkeiten
![]() | Herbert Molwitz Kupferstecher und Radierer geboren am 11. Januar 1901 in Blankenhain/Thüringen gestorben am 30. April 1970 in Tirschenreuth Das Familiengrab befindet sich in Mitterteich, wo der Künstler von 1913 bis 1957 lebte. |
![]() ![]() ![]() | Vortrag zur Gedenkfeier anläßlich des 100. Geburtstages in Mitterteich am 12.01.2001 von Manfred Knedlik Der Mann mit dem breitkrempigen Hut, der mit einer schweren Bildermappe unter dem Arm durch die Straßen zog, um Freunde und Gönner zu besuchen, war als Original nicht nur in Mitterteich bekannt. Fasziniert von der oberpfälzischen Landschaft, hatte Molwitz es sich gleichsam zur Lebensaufgabe gemacht, den spröden Charme dieses Landstrichs in seiner künstlerischen Arbeit einzufangen. Rastlos durchstreifte er die Oberpfalz, um sie dann mit unbändiger Fabulierlust in all ihren Eigenarten abzubilden. Diese schöpferische Beschäftigung mit dem eigenen Lebensraum trug wesentlich zu seiner großen Popularität bei. So war Molwitz gern gesehener Gast bei den Jahresausstellungen, die der Kunst- und Gewerbeverein in Regensburg und der „Bund fränkischer Künstler” auf der Plassenburg veranstalteten, und ebenso erfolgten stets Einladungen zu den Präsentationen zeitgenössischer Kunst, die anläßlich der Nordgautage stattfanden; für sein „heimatverbundenes Gesamtschaffen” wurde ihm 1962 der Nordgaupreis für bildende Kunst verliehen. 1901 in Thüringen geboren, kam Herbert Molwitz als Zwölfjähriger nach Mitterteich, wo sein Vater als Direktor der Porzellanfabrik beschäftigt war. Nach dem Abitur schien sein Berufsweg vorgezeichnet: einem Volontariat in der Porzellanindustrie folgte das Studium der Chemie an den Universitäten Würzburg und München. Bald jedoch setzte sich die starke schöpferische Begabung von Molwitz durch. In den Jahren 1924 und 1925 entstanden erste Feder- und Bleistiftzeichnungen, die Motive seiner Wahlheimat Mitterteich darstellten. Besonders fasziniert zeigte er sich dabei von den alten Gassen und Häusern auf dem Anger, dessen Atmosphäre er in stimmungsvoll-romantischen Studien einzufangen wußte. Feinfühlige Arbeiten wie der „Blick vom Heurang” oder „Der alte Backofen in der Blumenstraße” verraten schon - bei aller Suche nach den künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten - eine frühe Meisterschaft; unverkennbar auch schon sein ganz persönlicher Stil, der von einer geradezu liebevollen Zartheit des Details geprägt ist. Beispiel für die Vielseitigkeit des jungen Künstlers ist die Lithographie „Rauhreif”, 1925 im „Mühlfenzl-Haus am obern Markt” gefertigt, die ein Grundthema seines Schaffens anklingen läßt: die meditierende Hinwendung zur Natur. Auf der Suche nach neuen Eindrücken und Erfahrungen, unternahm Molwitz 1924 und 1925 zwei Studienreisen, zunächst in die Schweiz, später nach Italien, wo er in der Begegnung mit südländischer Kultur, Kunst und Landschaft wesentliche Anregungen empfing. Zu Fuß, ohne Geld, auf die finanzielle Gunst von Kunstliebhabern angewiesen, auf die er unterwegs traf, durchwanderte er die Toskana, einem kurzen Aufenthalt in Florenz folgte der Besuch Roms: „Ziel durch Jahrhunderte vieler Gläubiger” - so eine Tagebuchnotiz - „für mich, den angehenden Maler aber Rom, die Deutsche Kunststadt ... denn soviel hatte ich gehört, daß Alle dort waren, bes. die Nazarener”. Bei den Nazarenern handelt es sich um eine Künstlergemeinschaft der Romantik, deren idealistisches Ziel die Schaffung einer „neudeutsch-religiösen Kunst” bildete; in ihrer Malerei, die von altdeutschen Meistern wie Albrecht Dürer inspiriert war, konnte Molwitz einen verbindlichen Parameter seines Schaffens finden. Von Rom aus brach Molwitz in das Sabinergebirge auf, das er sich zeichnend erschloß; zahlreiche Skizzen von Olevano, Subiaco und dem berühmten Kloster San Scholastica entstanden. Schließlich gelangte er in die Künstlerkolonie Anticoli-Corrada, wo er den amerikanischen Maler Edward Bruce kennenlernte. Diese Begegnung sollte für seinen weiteren künstlerischen Weg von entscheidender Bedeutung sein. Bruce, von der großen Begabung des jungen Zeichners überzeugt, veranlaßte ihn, sich in der Technik des Kupferstichs zu versuchen. In seinen Tagebüchern schildert Molwitz diese Episode mit großer Anschaulichkeit: „Ich war ziemlich ratlos wegen des Kupferstichs, was sollte ich stechen, wie geht die Technik? Ich schweifte herum und fand einen Ausblick auf Anticoli-Corrada, den ich in Feder zeichnete. Dann zeichnete ich in Blei viele Unkräuter, wie sie im Vordergrund eben standen, das wollte ich stechen in die kleine Kupferplatte: einen Vordergrund von Wiesenblumen und dahinter das gralsburgartig sich aufbauende Anticoli-Corrada. Ich glaube, ich saß 3 Wochen oder länger über dieser Schinderei. ... Als ich wieder in Deutschland war, ließ ich die kleine gestochene Platte drucken, aber sie hatte zuviel Ton und dadurch keine Wirkung. Erst als ich den Ton etwas wegnahm, zeigte sich ihre ganze Schönheit” - soweit der Künstler über seine Anfänge als Kupferstecher. Entscheidend war jedoch: Der Aufenthalt in Italien hatte seinen Entschluß gefestigt, sich fortan vollkommen der Kunst zu widmen, mit allen Schwierigkeiten und Entbehrungen, die die Existenz eines freien Künstlers bedeuten konnte. Molwitz begann seinen künstlerischen Weg somit als Autodidakt, einer Verfeinerung der schöpferischen Anlagen sollte der Unterricht an einer Akademie dienen. Von 1926 bis 1928 besuchte er die Hochschule für bildende Kunst in Weimar, wo er Aufnahme in die Klasse von Prof. Alexander Olbricht, einem renommierten Landschafts- und Blumenmaler, fand. Freilich konnte ihn der akademische Lehrbetrieb nur wenig begeistern, in seinen Tagebüchern notierte er: „Ich war wohl ca. 10 bis 12 Mal im Unterricht, wo man Blumen zeichnete und Akte. Aber letztere lagen mir gar nicht. Der ganze Betrieb nicht, ich war wohl zu alt und machte mich bald selbständig.” Inspirierend wirkte dagegen die Bekanntschaft mit dem Weimarer Juristen und Kunstsammler Alfred Bogenhard. Als dessen Privatsekretär hatte er ein Archiv alter Stiche und Zeichnungen anzulegen; Tag für Tag konnte er nun die Schöpfungen eines Wolf Huber, eines Albrecht Altdorfer oder eines Albrecht Dürer bewundern und studieren, sie entfachten seine Begeisterung für die spätmittelalterliche Kunst, die ihm fortan ein Vor-Bild bleiben sollte. Die Tagebücher berichten hierüber: „Dieses ständige Sehen der Meisterwerke der Welt hat einen nachhaltigen Eindruck auf mein künstlerisches Empfinden ausgeübt und war eine Geschmacksbildungs-Schule ohne gleichen”. Was Molwitz mit den alten Meistern verbindet, ist die handwerkliche Genauigkeit, die Sorgfalt der Beobachtung und der Arbeit, die oft märchenhaft-romantische Stimmung seiner Radierungen, Kupferstiche und Zeichnungen, sowie die geradezu enthusiastische Hingabe an die Schöpfung, an Pflanzen und Bäume, die er nicht nur als Staffage, sondern als eigenständige Lebewesen sah. Diese Nähe zu den großen Vorbildern wurde schon früh von der Kunstkritik erkannt und gewürdigt, so bemerkte ein Rezensent im Jahr 1931: „In einigen Pflanzendarstellungen äußert sich die innige Liebe eines Spätgotikers zum kleinsten zartesten Geschöpf in der Natur in sehr sympathischer Weise.” Charakteristisch für diese Schaffensperiode sind neben Naturmotiven die Nachtstudien, die Industrieanlagen wie z.B. das Gaswerk in Gera und die Glashütte in Mitterteich oder aber rätselvolle Ortsansichten zeigen - mit der Lithographie „Kirche, Apotheke und Rathaus”, 1928 entstanden, besitzt die Stadt Mitterteich ein typisches Werk dieser Epoche. Diese Schattenflächen voller Leben und voller Zauber erinnern an die Welt eines Alfred Kubin, an seine dunklen, geheimnisvollen Kompositionen aus expressionistischen Formelementen, die eine mythisch-pessimistische Weltschau zum Ausdruck bringen. Unübersehbar ist aber auch die Nähe zu Friedrich Wilhelm Murnau, dessen Filme einen Höhepunkt des deutschen Kinos in den 20er Jahren bildeten. Wie dessen Leinwandepen überzeugen Molwitz’ Lithographien durch die visuelle Harmonie, mit der sie den Konflikt zwischen Licht und Schatten zuspitzen, durch expressive, stimmungsvolle Ansichten, die den Betrachter durch ihre Atmosphäre berühren. Begeisterungsfähig, beständig auf der Suche nach neuen Horizonten, unternahm Molwitz weitere Studienreisen, die ihn nach nach Österreich und Ungarn, in die Schweiz, vor allem aber nach Italien führten. Hatte er den akademischen Unterricht als beengend empfunden, so fand er in der lebendigen Anschauung abendländischer Kultur Inspiration und künstlerische Schulung. Trotz oder gerade wegen der häufigen Aufenthalte im Ausland aber kehrte er stets gern in die geliebte Oberpfalz zurück, die er zum Mittelpunkt seines Schaffens machte. In einer Vielzahl von einfühlsamen Arbeiten rückte er die Naturschönheiten dieses herben Landstrichs in den Blick - Arbeiten, die eine tiefe Liebe des Künstlers zur Schöpfung spüren lassen. Eine zentrale Rolle in Molwitz’ Oeuvre spielen Bäume, meisterhaft ausgeführte Buchen, Linden, Fichten, die dem Betrachter in ihrer Urwüchsigkeit und Vielgestalt vor Augen treten. Nicht selten bezeichnete Molwitz sich als „Baumnarren”, so sehr war er diesen knorrigen, oft bizarr und wunderlich geformten Naturbildern verfallen. In dem Geflecht verästelter Striche, die sich organisch zur großen Form auswachsen, offenbart sich dabei seine innere Verwandtschaft zu Albrecht Altdorfer, dem Hauptmeister der Donauschule. Berühmtheit jedoch erlangte Molwitz durch die akribische Wiedergabe von Gräsern und Wiesenblumen, von Kräutern und sog. Unkräutern, insbesondere aber von Disteln. Als Radierer und Kupferstecher gestaltete er Pflanzenmotive von außerwöhnlicher Darstellungskraft. Die „Große Silberdistel”, ein Kupferstich aus dem Jahre 1929, der die ungeteilte Bewunderung des berühmten Berliner Impressionisten Max Liebermann fand, bildet gleichsam die Sinnmitte seines graphischen Werkes. Mit dem wachen Auge des Künstlers entdeckte Molwitz gerade in dem kleinen, unscheinbaren Gewächs am Wegesrand, bei der Wanderung aufgegriffen, die Schönheit der Natur. Inspiriert von den - oft verkannten und unbeachteten - Naturerscheinungen, fand Molwitz seinen Weg zu einem Künstler von unverwechselbarer Eigenart. Wie stark er die Natur als beseelt, mit Empfindungen begabt, erlebte, verrät die trotzige Unterschrift „Und dennoch” zu der Radierung einer Wetterfichte - ein Wahlspruch übrigens, der auch für sein Leben charakteristisch war. Mit Selbstvertrauen und Energie setzte er sich über alle äußeren Widrigkeiten hinweg - die finanzielle Not, die er in seinen Tagebüchern oft beklagte; die schwere Krankheit, die ihn in den letzten Lebensjahren in seinem Schaffen behinderte -, um seiner Berufung zu folgen. 1932 begann Molwitz mit seiner Topographie der Oberpfalz. Unermüdlich durchstreifte er die ihn so faszinierende Heimat, um eine Gesamtdarstellung all ihrer typischen Landschaften, markanten Bauwerke und charakteristischen Städte und Dörfer zu schaffen. Im Laufe nur weniger Jahre entstanden weit über 100 kolorierte Radierungen und Federzeichnungen, die in ihrer Zielsetzung an die Arbeiten des bedeutendsten deutschen Kupferstechers der Barockzeit, Matthäus Merian, erinnern. Mit unfehlbarer Sicherheit gestaltete Molwitz lebendige Blätter von minutiöser Genauigkeit und hoher zeit- und kulturgeschichtlicher Aussagekraft. Als „modernen Merian” feierte ihn daher auch die zeitgenössische Kunstkritik. Trotz der gegenständlichen Darstellung und dem Streben nach einer exakten Wirklichkeitserfahrung aber präsentieren sich die Ansichten nicht als eine bloße Dokumentation landschaftlicher und kultureller Eigentümlichkeiten, vielmehr offenbart sich in ihnen der Versuch des Künstlers, die „Seele” dieses Landstrichs zu ergründen. Einer breiten Öffentlichkeit war „Meister Mol”, wie er gern genannt wurde, vornehmlich als Schöpfer von Pflanzendarstellungen sowie Orts- und Landschaftspanoramen bekannt, weniger als kritischer Betrachter seiner Umwelt. Gerade in den frühen Jahren aber erweist sich Molwitz als scharf beobachtender Zeitkritiker, der in prophetisch anmutenden Studien auf die Gefahren der modernen Technik aufmerksam macht. So entdeckt der aufmerksame Kunstfreund auf einer 1924 entstandenen Federzeichnung der Glashütte in Mitterteich einen grinsenden Totenschädel, versteckt in der Abluft, die aus den hohen Schornsteinen entweicht. Sehenswert ist daneben der Karikaturist Molwitz, der mit wenigen Bleistiftstrichen zwei „Herren im Zug von Brühl nach Köln” darzustellen vermag, in die Zeitung vertieft der eine, während der andere gelangweilt an seiner Pfeife zieht; treffend gestaltet sind auch Genreszenen wie „Im Cafe Kaiser” oder „Auf dem Jahrmarkt”, die mit feiner Ironie Menschlich-Allzumenschliches in den Blick rücken. Diesen „unbekannten Molwitz” gilt es noch zu entdecken, Ansätze dazu leisteten die beiden Ausstellungen, die 1985 und 1995 vom Arbeitskreis Heimatpflege organisiert wurden. Im Werk von Herbert Molwitz besitzen wir ein kostbares oberpfälzisches Erbe. Es ist sehr zu begrüßen, daß die Stadt Mitterteich und der Arbeitskreis Heimatpflege dieses Erbe pflegen und die Erinnerung wachhalten an einen Künstler, der sich in aller Bescheidenheit nicht selten lediglich als „Papierverschandler” vorzustellen beliebte. Mit der repräsentativen Gedächtnisausstellung aus Anlaß des 100. Geburtstages erfährt eine eindrucksvolle Künstlerpersönlichkeit die gebührende Anerkennung. |
Quellen:
Manfred Knedlik, Herbert Molwitz 1901-1970, Begleitheft anläßlich der Gedächtnisausstellung zum 25. Todestag,
Pressath: Bodner 1995.
Albert Panzer, Herbert Molwitz, ein Oberpfälzer Meister, in: Der neue Tag, 28. Juni 1952.
Heinz Schauwecker, Herbert Molwitz, in: Die Oberpfalz 42 (1954), H. 1.