Mitterteicher Persönlichkeiten
![]() | Prof. Dr. Theobald Schrems geb. 17.02.1893 in Mitterteich Priesterweihe am 29.06.1917 von 1924 bis zu seinem Tode 1963 Domkapellmeister in Regensburg gest. am 15.11.1963 in Regensburg |
![]() ![]() ![]() ![]() | Theobald Schrems kam am 17. Februar 1893 in Mitterteich als fünftes Kind des angesehenen Ökonomiebürgers Johann Baptist Schrems und seiner Ehefrau Maria Magdalena, einer Tochter des Bäckermeisters Friedrich Ginker, zur Welt. Ausdrücklich verweisen autobiographische Notizen wiederholte Male auf jene tief religiöse Atmosphäre des Elternhauses, die ihn entscheidend prägen sollte - so sei er "von Kindheit an täglich zur Kirche geführt worden und in jeder Ferienzeit wenigstens einmal zum Marienheiligtum Fuchsmühl gepilgert." Während er sich dankbar an das christlich-religiöse Erbe erinnert, bedauert er zeitlebens die häuslichen musikalischen Bildungsdefizite: "Ich stamme eigentümlicherweise aus einer ganz unmusikalischen Familie, obwohl Vorfahren von Großeltern und Verwandten sehr musikalisch waren. Aber selbst hatte ich von zu Hause gar keine Anregung, kein Instrument, kein Notenblatt, kein Liederbuch. Die Musik war überhaupt nicht geachtet. Aber ich hatte eine unendlich große Sehnsucht nach Musik von frühester Jugend an, besonders zum Klavierspiel und habe immer die Doktorstöchter, die bei uns gewohnt haben, oben im ersten Stock, beneidet, daß sie so schön Klavier üben durften oder vielmehr mußten, was ich so gerne getan hätte. Ich habe jeden Lehrersbuben beneidet um diese reichen musikalischen Anregungen die er hatte, aber mir wurde das alles sehr lange, obwohl ich mich so danach sehnte, nicht zuteil." Nach dem Besuch der Werktagsschule in seiner Heimatstadt (1899-1903) trat Schrems in das Alte Gymnasium (heute Albertus-Magnus-Gymnasium) in Regensburg sowie in das dortige Bischöfliche Knabenseminar Obermünster ein. Während dieser Zeit erfolgte erstmals eine Berührung mit Vokalkompositionen aus der Palestrina-Zeit und den Meisterwerken der Wiener Klassik, die den musikbegeisterten Heranwachsenden ebenso faszinierten wie die Klaviermusik Chopins und Liszts. Nach der Reifeprüfung im Jahr 1912 begann Schrems am Königlich Bayerischen Lyzeum zu Regensburg mit dem Studium der Philosophie und Theologie. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit widmete sich der Student - vornehmlich während der Semesterferien - weiterhin seiner instrumentalen Fortbildung. Von entscheidender Bedeutung für die musikalische Entwicklung von Theobald Schrems war schließlich die Begegnung mit Adalbert Lindner (1860-1946), dem Organisten der Stadtpfarrkirche St. Michael in Weiden und späteren Klavierlehrer Max Regers: "Zu Lindner kamen wir mit voller Bewunderung und Verehrung, und er führte mich und einige meinesgleichen zum ersten Mal in die große Regersche Kunst ein, umd damit auch vor allem Bach. Bach habe ich durch ihn eigentlich kennengelernt. (...) Ganze Tage und halbe Nächte wurden mit Bachs "Wohltemperierten Klavier" und anderen Kompositionen verbracht, und das "Wohltemperierte Klavier", das wurde mein ständiger Begleiter auf allen Wegen und Stegen und Reisen." Ungeachtet seiner musikalischen Begeisterungsfähigkeit zeichnete sich Schrems durch tiefen geistlichen Ernst aus. Nachdem Theobald Schrems am 29. Juni 1917 durch Bischof Antonius von Henle die Priesterweihe empfangen hatte, wirkte er in den folgenden Jahren als Kooperator in Furth im Wald und Ittling bei Straubing. Schrems erfreute sich in diesen ländlichen Pfarreien großer Beliebtheit. Am 12. April 1920 schließlich wurde der junge Geistliche, dessen hohe musikalische Begabung den kirchlichen Oberbehörden nicht verborgen geblieben war, als Präfekt und Musikpädagoge an das Bischöfliche Knabenseminar Obermünster berufen. Obwohl die Leistungen des Seminarchors und -orchesters - und damit auch die Tätigkeit des Musikpräfekten - weithin Anerkennung fanden, kam es schon bald zwischen Schrems und dem Seminardirektor Köppl zu Spannungen - nicht zuletzt wohl aufgrund des kirchenmusikalischen Sendungsbewußtseins des Priestermusikers, das ihn mit zäher Beharrlichkeit seine Ziele verfolgen ließ. Als sich für die Karwoche 1924 niemand fand, den seit längerer Zeit schwerkranken Domkapellmeister Franz Xaver Engelhart zu vertreten, bestimmte dieser selbst Theobald Schrems, die schwierige Aufgabe der musikalischen Ausgestaltung der Karwochen- und Osterliturgie zu übernehmen. "... ungefähr erst 10 Tage vorher, mit meinem eigenen Seminarchor von Obermünster. Das waren etwa 175 lauter schwierige, klassische Kompositionen. Und diese Probe war für mich zugleich auch - sozusagen - die Probe für den künftigen Domkapellmeister." Am 25. Juli 1924 - elf Tage nach dem Tod Engelharts - wurde Schrems vom Domkapitel einmütig zu dessen Nachfolger bestimmt, obwohl er "... zu diesem Zeitpunkt keinerlei staatlichen Prüfungen und Examina hatte." Schrems fand einen, durch die lange Krankheit seines Vorgängers, heruntergekommenen Chor vor, mit lediglich 6 - 8 Singknaben. Seine Aufgabe war es nun, schleunigst durch Neuaufnahmen und der Gründung eines großen Stadtschülerchores der Not abzuhelfen. Dies gelang mit außerordentlicher Mühe. Unter "unsäglichen Schwierigkeiten" holte er in den Jahren 1925-28 sein staatliches Examen für Kirchen- und Schulmusik in Berlin unter Carl Thiel - dem späteren Direktor der Kirchenmusikschule Regensburg - nach und promovierte schließlich mit dem Thema "Die Geschichte des Gregorianischen Gesanges in den Evangelischen Gottesdiensten." 1927, drei Jahre nach Amtsantritt, gab Schrems mit dem Domchor erste Konzerte außerhalb Regensburgs, in Passau und Nürnberg. 1930 fand die erste Aufführung der Märchenoper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck, mit Domspatzen in den Hauptrollen, unter der musikalischen Leitung von Theobald Schrems statt. Der Erfolg dieser Vorstellung war wider Erwartung außerordentlich groß, so daß die Oper zum festen Repertoire der Domspatzen wurde und fast 200 Aufführungen erlebte, darunter auch in Südamerika. 1933 gaben die Domspatzen ein Konzert in der Berliner Singakademie und machten ihre ersten Schallplattenaufnahmen bei Elektrola und Telefunken. Zu diesem Zeitpunkt, zehn Jahre nachdem Theobald Schrems Domkapellmeister geworden war, hatte sich der Chor von einem lokal bekannten, zu einem international anerkannten Knabenchor entwickelt. In den folgenden Jahren folgten Konzertreisen zu den größeren Städten Deutschlands und auch nach Holland. So wundert es nicht, daß sich auch der nationalsozialistische Staat für den Chor zu interessieren begann, um ihn als Propagandainstrument einzusetzen. Dies wurde besonders deutlich während der zehnwöchigen Konzertreise nach Südamerika im Jahre 1937, für alle Teilnehmer ein unvergeßliches Erlebnis, vielleicht gerade deshalb, weil sie überschattet war vom Zwiespalt zwischen Parteiideologie und künstlerischem Auftrag parteiferner Musik. Der Chor wurde erwartet als Sendbote narzistischer Kulturpolitik, konnte sein Publikum aber in 48 erfolgreichen Konzerten davon überzeugen, daß er als Kathedralchor in erster Linie im Dienste der MUSICA SACRA stand und ihm nichts ferner lag, als Werbung für eine Partei. So hatte Theobald Schrems in der Folgezeit immer mehr gegen staatlichen Widerstand zu kämpfen. Um den Chor am Leben zu erhalten, mußte er Kompromisse eingehen, die ihm den Vorwurf der Parteitreue einbrachten. Doch, wer mag heute richten über eine Zeit, die wir entweder nicht mehr erlebt haben, oder die uns nicht vor ähnlich schwierige Entscheidungen stellte. So konnten noch 1940 und 1941 Konzertreisen durch Jugoslawien, Ungarn, Österreich, die Tschechoslowakei, Polen und Frankreich stattfinden. Höhepunkt war ein Konzert am Palmsonntag 1941 vor 9000 Zuhörern in der Kathedrale Notre Dame zu Paris. Durch diese Konzerttourneen war es Theobald Schrems nun endlich gelungen, die notwendigen finanziellen Mittel zum Erhalt und zum Ausbau des Internates zu beschaffen. Es war das erste Mal in der Geschichte des Regensburger Domchores, daß er aus eigener Kraft leben konnte. Die Organisation war standfest genug geworden, die schwierigen Kriegs- und Nachkriegsjahre zu überstehen. Im Jahre 1953 schließlich, konnte Theobald Schrems sein Hauptziel erreichen: den Neubau eines Gebäudekomplexes in der Reichsstraße, der Internat und Schule in sich vereinigt und der unter dem Namen "Musikgymnasium der Regensburger Domspatzen" bis heute das Heim der Domspatzen geblieben ist. Dieser Erfolg wäre nicht möglich gewesen ohne das stimmpädagogische Talent, wie es Schrems bereits in den ersten Jahren seiner Tätigkeit entwickelte. Er brachte es durch einfache, natürliche Stimm- und Atemübungen fertig, einem begabten Buben manchmal in wenigen Wochen zum Solisten heranzubilden. Die von ihm ausgebildeten Stimmen hatten nichts kindlich-unvollkommenes an sich. Man brauchte als Zuhörer nie das Gefühl zu haben, daß sich ein Kind plagen mußte, um einen hohen Ton zu erreichen. An seinem 70. Geburtstag brachten die "kleinen Domspatzen aus Etterzhausen" neben Volksliedern und Madrigalen auch das "Prinzchen" als Ständchen. Der Domkapellmeister war selig, und Prof. Köllner, Domkapellmeister von Mainz, gratulierte ihm und sagte: "Für diese kleinen Buben gäbe ich meinen gesamten Domchor!" Es war Theobald Schrems nicht mehr lange vergönnt, sein Lebenswerk blühen und gedeihen zu sehen. Der Tod klopfte bereits zaghaft, unhörbar für ihn, doch beständig an seiner Tür. Am 15. November 1963 erlag er schließlich seinem Krebsleiden. Für Theobald Schrems wird immer das Urteil gelten müssen, das der führende Kopf im Regensburger Musikleben der 1930er und 1940er Jahre, Landgerichtsdirektor Wilhelm Schmitt, unter dem Eindruck einer fulminanten Aufführung der h-Moll Messe Johann Sebastian Bachs schrieb: "Auf Dr. Schrems ist ohne Übertreibung das Wort Beethovens anwendbar, daß die Musik einem Manne Feuer aus den Adern schlagen müsse." Alle, die sich von seinem "Feuer" ergreifen ließen, werden zeitlebens seine dankbaren Schuldner bleiben! Mitterteich hat das Lebenswerk Theobald Schrems noch zu dessen Lebzeiten gewürdigt, mit der Namensgebung der "Dr.-Theobald-Schrems-Straße" und der "Theobald-Schrems-Grundschule". Auf dem Gelände dieser Schule wurde 1993 aus Anlaß des 100. Geburtstages eine Büste des unvergeßlichen Domkapellmeisters enthüllt, die vom gebürtigen Mitterteicher Künstler Engelbert Süß geschaffen wurde. Bereits 1973 wurde unter Anwesenheit der Regensburger Domspatzen an seinem Geburtshaus am Oberen Markt mit einem feierlichen Festakt eine Gedenktafel enthüllt. |
Quelle: Christel Erkes: Die Regensburger Domspatzen - Begegnungen mit Theobald Schrems
Autoren: Manfred Knedlik, Kurt Erkes, Bernhard Coers
Sendung des Bayerischen Rundfunks zum 20. Todestag von Theobald Schrems
Zusammenstellung: Hubertus Krämer